Ich bin’s, das Ricardas.


Du hast es vielleicht hier oder dort schon gesehen: an meinem Namen steckt inzwischen ein kleines s. Also „Ricardas“. (Also meistens, ich habe es noch nicht überall verändert, so ein Name steht an erstaunlich vielen Stellen.)

Ich mag an Ricardas, dass es auch die Pluralform ist, dass die vielen verschiedenen Ricardas in mir darin Platz finden können. Ähnlich wie in dem englischsprachigen Pronomen they/them.

Ricardas ist angelehnt an die litauische Form von Ricarda, und ist dort männlich konnotiert. Was für mich Sinn macht. Denn auch das weißt du vielleicht bereits: Ich bin genderqueer, oder auch nicht-binär; sprich ich verstehe mich weder als Frau noch als Mann.

(Falls dir dieses Thema noch nicht begegnet ist: Ich habe hier eine Handreichung dazu erstellt, vielleicht ist die dann für dich interessant.)

Ganz wichtig ist mir: Das war für mich eine schöne Erkenntnis, als ich das vor einigen Jahren begriffen habe.

Unangenehm war es bisher für mich eigentlich vor allem, wenn ich jemandem erzählte, dass ich genderqueer bin, und die Person dachte, das sei eine schlechte Nachricht. Nö. Ist eine gute Nachricht, denn ich habe jetzt einen Begriff für etwas, das ich in diffuser Form eh schon immer wusste und spürte.

Das ist für mich ähnlich wie mit meiner Hochsensibilität, das war auch nicht „schlimm“, als ich das begriffen hatte. Ich bekam dadurch vor allem mehr Klarheit über mich und damit mehr Möglichkeiten, mir gerecht zu werden. Das wiederum hatte kleine praktische Konsequenzen (dass ich zum Beispiel inzwischen viel bewusster kommunizieren kann, welche Reize ich gut aushalten kann und welche nicht).

Das Nichtbinärsein hat auch kleine praktische Konsequenzen.

Zum Beispiel verwende ich keine weiblichen Pronomen mehr, denn ich fühle mich nicht von ihnen gemeint. Statt „sie“ oder „ihr“ kannst du mit meinem vollen Namen oder einer Abkürzung meines Namens (ri) über mich sprechen. Oder, und das kommt mir am meisten entgegen, mit dem Pronomen „es“, also das Ricardas.

Das klingt für viele Menschen erstmal ungewohnt, dabei taucht das in einigen deutschen Dialekten auf, und auch beim Kind oder beim Mädchen – über beide sprechen wir mühelos mit einem liebevollen es.

Eine andere praktische Konsequenz war, dass ich nun im Rahmen des Selbstbestimmungsgesetzes meinen Geschlechtseintrag streichen lassen konnte. So dass mich zum Beispiel hoffentlich demnächst mehr Anschreiben erreichen, die ohne eine Geschlechtszuweisung auskommen.

Und im gleichen Schritt habe ich eben auch meinen Namen geändert.

Den eigenen Namen zu verändern, ihn zu kürzen, ihm etwas anzuhängen, einen ganz neuen Namen für sich zu suchen, zu finden, zu erfinden, Kosenamen für andere zu finden, das alles enthält so viel Gestaltungskraft. So will ich genannt werden. So will ich dich nennen.

Diese Kraft, die Bewusstheit dahinter, mich auch nach außen hin immer mehr so zu gestalten und lesbar zu machen, wie ich im Inneren gestaltet bin, das ist für mich eine der größten Freuden meiner Genderqueerness.

Die andere riesige Freude ist die über das nicht-binäre Denken. Was für mich immer mehr zu einem der wichtigsten Fähigkeiten in dieser Zeit wird. Auch wenn es sich dermaßen verlockend anfühlt (und auch wenn alle Algorithmen um uns genau darauf abzielen): sich dennoch nicht zu einer binären Positionierung zwingen zu lassen. Sondern im Möglichkeitsbereich zu bleiben, in den Zwischendrins zu bleiben, wirklich alles zu halten, was nun mal da ist, ob wir es mögen oder nicht. Eine ganz andere Herangehensweise wählen, auch wenn einem nur zwei präsentiert werden. Darin liegt für mich immer mehr die eigentlich benötigte Radikalität und Kraft; mit Verhärtungen kommen wir ja offensichtlich nicht so richtig weit.

Das Nicht-binäre ist eine Herangehensweise, die ich auch im Arbeiten immer mehr suche.

Darin zum Beispiel der Versuch, Texte zu schreiben, die kräftig sind und trotzdem weich bleiben.

Darin zum Beispiel der Versuch, Websites so zu gestalten, dass sie sehr aus einem Innen heraus kommen, aus einer ganz eigenen Freude und ganz eigenen Sprache, und trotzdem verständlich für ein Gegenüber bleiben, trotzdem Orientierung und Halt geben können.

Was mich zu anderen Neuerungen bringt! Denn es passiert gerade noch eine weitere Namensänderung: unser monatliches Co-Working wird zu einem monatlichen Schreibtag.

Das geht einher mit (unüberraschenderweise) etwas mehr Fokus auf das Schreiben – und wir helfen dir weiterhin mit technischen und strategischen und gestalterischen Dingen. Es bleibt ein gemeinsames Arbeiten an allem, was ansteht. Wir wollen den Tag trotzdem umbenennen, um noch deutlicher zu machen, dass du ihn eben auch zum Schreiben in Gemeinschaft verwenden kannst, und weil das Schreiben für uns meist die Grundlage für alle anderen Arbeiten darstellt.

Diese Wachstums- und Veränderungsbewegungen ergreifen auch die Telko. Für die haben wir bisher noch keinen neuen Namen, aber dafür ein paar Ideen für kleine Veränderungen, mit denen wir in den nächsten Ausgaben experimentieren werden (dazu mehr im nächsten Brief). Wir wollen also mit der Telko in einen neuen Namen hinein wachsen, er darf sich organisch auftun und von allen Beteiligten mit gestaltet werden.

Denn Namen für die Behälter, die wir uns gestalten, sind wichtig. Ein Behälter mit einem passenden Namen enthält Wünsche, enthält Bewusstheit, enthält einen Zauber.

Und falls du dich das gerade fragst: Ja, wir, und unsere Angebote, werden noch weirder nächstes Jahr.

Noch eigener, noch seltsamer, noch weicher, noch nicht-binärer, noch offener für alle möglichen Menschen und alle möglichen Themen. Denn das scheint uns die logischste Richtung in diesem Zeitalter der Überoptimierung, der Kürzungen, der Gewalt: Wir wollen weicher und weirder werden, wir wollen verbunden bleiben.

Und noch viel mehr in Gemeinschaft schreiben, denn nichts hat unsere Leben so verändert in den letzten Jahren wie das gemeinschaftliche Schreiben.

Oder, wie Chia Amisola hier schreibt: Call the world you live in something new.

(Gib der Welt, in der du lebst, einen neuen Namen.)

Oder, wie Uljana Wolf schreibt und was ich in Du weißt nichts von dir und das lässt dich schimmern von Pierre Horn gefunden habe:

Der Name ist ohne Zweifel ein sehr kleines Gedicht.

Den umgebenden Text von Uljana Wolf fand ich in dem Nachwort zu Else Lasker-Schülers Sämtliche Gedichte:

Der Name ist ohne Zweifel ein sehr kleines Gedicht. Der Name ist ohne Zweifel eine sehr kleine Grenzüberschreitung. Der Name ruft ohne Zweifel nach Anderen. Der Name bedarf ohne Zweifel einer Übersetzung. Der Name ist ohne Zweifel eine Art Zwiebel. In der Zwiebel wohnt der Zweifel. Der Zweifel zwickt. Der Zweifel hat Schalen, Tränen. Die Zwiebel hat kein Zentrum. Ziel der Zwiebel ist ein anderer Zweifel.

Danke, dass du diese sehr kleinen Gedichte, diese sehr kleinen Grenzüberschreitungen mit uns trägst. Wir rufen nach dir, und wir rufen alle nach Übersetzungen.

Von hier aus weiter.

T E R M I N E

Schreibtag am 9. Dezember, 9 bis 17:30 Uhr

Wir sitzen an einem Schreibtag digital zusammen, du arbeitest an deinen Texten (oder deiner Website) und wir sind in unserem Forum durchgehend da für all deine Fragen, geben Feedback und Motivation, checken morgens und mittags gemeinsam in der Gruppe per Zoom mit dir ein und feiern am Abend mit dir, was du geschafft hast.

Das ist also fast so, als würden wir gemeinsam in einem Raum sitzen und du kannst uns jederzeit kurz an deinen Schreibtisch rufen. Dann können wir kurz einen Auszug von dir lesen und dir Feedback dazu geben oder dir einen Schreibimpuls rüberreichen, können vielleicht kurz telefonieren und über deinen akuten (oder chronischen) Schreibzweifel sprechen oder dich zu einem kurzen Schreibspaziergang motivieren.

Nachmittags treffen wir uns zu einer Feedbackwerkstatt und besprechen in einer kleinen Gruppe wertschätzend (frisch entstandene) Texte oder Fragen, die du dir beim Schreiben stellst. Wir können dir in diesem Zoomtreffen aber auch eine Rückmeldung zum neuen Look deiner Startseite oder einem Buchcover geben.

So bist du nicht alleine mit deinen Texten und deiner Website und du hast monatliche fixe, konkrete Termine fürs Schreiben, Feedback einholen und Überarbeiten.

Hier findest du mehr Infos und kannst deinen Termin buchen.

Wir-sind-nicht-alleine-Telko: 18. Dezember 2024, 14 - 15:30 Uhr

Eine monatliche, kostenlose Gemeinschafts-Videokonferenz für (werdende) Einzelselbständige, die Austausch und Unterstützung suchen.

Kommendes Mal ausnahmsweise nicht am letzten, sondern am vorletzten Mittwoch des Monats – und mit kleinen neuen Experimenten, angelehnt an unser beliebtes und freudvolles PoeTisch-Format :)

Details zur Wir-sind-nicht-alleine-Telko

Schreibwoche Januar: 27. Januar bis 1. Februar 2025

Eine Woche voller Anregungen, Unterstützung und Gemeinschaft, um neue Texte zu beginnen oder begonnene fertig zu stellen. Eine Einladung, dein Schreiben ernster zu nehmen und gleichzeitig ins Spielen zu kommen, ins wilde und freudvolle Ausprobieren und Forschen. Alle Textarten sind willkommen!

Die Schreibwoche Januar ist eine von vier Schreibwochen im kommenden Jahr, die es auch in vergünstigten Paketen gibt, nämlich dem Kleinen und dem Großen Schreibjahr.

Details zur Schreibwoche und zum Schreibjahr

Your old name is not your king
I rename you everything

– Jarod K Anderson

Die gute Website

Für Haltung, gegen Perfektionismus. E-Mail ist unsere liebste Art, digital zu kommunizieren. Mails können persönlich und direkt und unaufdringlich sein, mehr Unterhaltung zu zweit als Megafon. Dadurch ergeben sich so schöne und tiefe Dialoge, und dadurch wiederum Beziehungen. Diese „E-Mail-Briefe“ sind unsere Einladung an dich, an diesem Dialog teilzunehmen. An dem Versuch, über diese Bildschirme einen echten Austausch zu wagen.

Read more from Die gute Website

Die Zeit um den Jahreswechsel, diese Rück- und Vorschauphase, scheint mir ein guter Zeitpunkt für die Erinnerung: Wie wir uns nennen, wie wir über uns und unsere Rollen sprechen, ist nicht das Wichtigste. Wichtiger ist, was wir tun. Täglich, fasttäglich. Wie Stephen Fry sagt: We are not nouns, we are verbs. I am not a thing – an actor, a writer – I am a person who does things – I write, I act – and I never know what I am going to do next. I think you can be imprisoned if you think of yourself...

Vor einiger Zeit habe ich (Kathrin) angefangen, meiner Woche ein Motto mitzugeben (wie einem Text). Das kann ein Wort sein (Langsamkeit, Leichtigkeit) oder ein Vers. Eine Farbe oder eine Frage (Was zieht mich? Was schiebt mich?). Oder auch eine konkrete Tätigkeit, die ich mir für die Woche vornehme (zum Beispiel die Endlich-ungelesene-Mails-Beantworten-Woche). Ich denke es mir montagmorgens ganz intuitiv aus und schreibe es in meinen Kalender, damit es mich die Woche über begleiten kann. Beim...

Willkommen zum Weltuntergang, dem wievielten? Ich weiß es nicht, ich zähle nicht mehr mit. Jetzt, genau jetzt, ist es umso wichtiger, dass wir weiter selbständig und selbstbestimmt bleiben. Dass wir unsere eigenen Regeln machen. Dass wir eine eigene Art von Wirtschaft schaffen, eine liebevolle Tauschwirtschaft, eine teilende, unterstützende Wirtschaft. Dass wir weiter an den Bedingungen arbeiten, zu denen wir arbeiten wollen. Dass wir mit Menschen arbeiten und Menschen unser Geld geben, die...